Anfallsfrei durch Epilepsie-Operationen im Gehirn
Forschungsteam des Uni-Klinikums Erlangen, der FAU und der Uni-Klinik Utrecht wertet Europäische Kohorte mit mehr als 9.000 Operationen aus
Die Weltgesundheitsorganisation stuft Epilepsien als häufige und schwerwiegende Erkrankungen des Gehirns ein. Ein Drittel aller Patienten sprechen nicht auf eine medikamentöse Therapie an. Bei sogenannten fokalen Epilepsien, bei denen der Ursprung in einem bestimmten Gehirnareal liegt, kann eine Operation am Gehirn helfen und sogar heilen. Dies konnte ein Forscherteam des Universitätsklinikums Erlangen, der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und des Universitätsklinikums Utrecht zeigen. Sie untersuchten bei mehr als 9.000 Patienten aus 37 Epilepsie-Zentren in 18 Europäischen Ländern den kurz-, mittel-, und langfristigen Erfolg von Epilepsie-Operationen sowie die Medikamenteneinnahme nach der Operation. Die Ergebnisse wurden nun in dem Wissenschaftsjournal Lancet Neurology veröffentlicht.
In dem EU-geförderten „European Epilepsy Brain Bank-Konsortium“ hat das Team um Prof. Dr. Ingmar Blümcke, Direktor des Neuropathologischen Instituts des Uni-Klinikums Erlangen, und Prof. Dr. Kees Braun vom Uni-Klinikum Utrecht die Ergebnisse von Epilepsie-Operationen untersucht, die zwischen 2000 und 2012 an 37 Europäischen Epilepsie-Zentren durchgeführt wurden: Erlitten die Patienten nach der Operation noch Anfälle? Wie lange währte ein Behandlungserfolg? Benötigten die Erkrankten nach der Operation weiterhin Medikamente oder durften sie darauf verzichten?
Das Ergebnis: Epilepsie-Operationen sind sehr erfolgversprechend. 72 Prozent der Patienten hatten ein Jahr nach der Operation keine Anfälle mehr. Nach zwei Jahren waren es noch 68 Prozent und nach fünf Jahren 66 Prozent. Wie gut der neurochirurgische Eingriff hilft, hängt allerdings auch mit den zugrundeliegenden Gewebsveränderungen in der anfallsauslösenden Gehirnregion zusammen: Wurde die Epilepsie durch gutartige Hirntumoren, fehlgebildete Blutgefäße oder Verlust von Nervenzellen im Hippocampus ausgelöst, waren über 70 Prozent der Patienten nach zwei Jahren frei von Anfällen; bei Erkrankten ohne mikroskopisch erkennbare Veränderungen im chirurgisch entfernten Gehirnareal war dies bei ungefähr 50 Prozent der Fall. Nach fünf Jahren hatten 45 Prozent der Kinder und 28 Prozent der Erwachsenen auch ihre Anfallsmedikamente vollständig abgesetzt. „Nach diesem Zeitraum können wir praktisch von einer Heilung sprechen“, kommentiert Prof. Ingmar Blümcke. Eine längere Dauer der Epilepsie – vom ersten Anfall bis zum Zeitpunkt der Operation – verschlechterte allerdings die Chance auf eine vollständige Anfallsfreiheit. „Unsere Studie zeigt nicht nur den Erfolg einer Epilepsie-Operation. Sie hilft auch dabei, Patienten, die vor einer Operation stehen, in Bezug auf das zu erwartende Ergebnis zu beraten“, sagt Prof. Blümcke.
Das „European Epilepsy Brain Bank-Konsortium“ ist Teil des European Reference Network „EpiCARE“.
Artikel im Wissenschaftsjournal Lancet Neurology
Quelle: uni | mediendienst | forschung Nr. 49/2020
Weitere Informationen:
Prof. Dr. Ingmar Blümcke
Telefon: 09131 85-26031
E-Mail: ingmar.bluemcke(at)uk-erlangen.de